Lutz Seiler: Kruso

Puh, also das hat schon ganz schön lange gedauert, bis ich das Buch durchhatte! Dabei mochte ich die Sprache von Anfang an – das Schwebende darin- und dass auch das Alltäglichste mit Poesie versehen wird, und sei es der Schleim, der sich unter dem Abflussgitter fängt. Dass ich so langsam voran kam, lag eher daran, dass der Stil so dicht ist und alles so rätselhaft, aber eben nicht so sehr auf Enträtseln und Spannung hin geschrieben, sondern eher, wie eine Freundin sagte: „Geraunt“, man könnte auch sagen, undurchschaubar und geradezu mystisch. Das liest sich eben nicht mal so weg, das ist schwer und gehaltvoll wie gute Schokoladencreme – und manchmal eben auch wie das eklige Zeug im Abfluss: davon verträgt man nicht zu viel auf einmal.

Dabei ist die Handlung gar nicht zu schwergewichtig, sondern lässt sich verhältnismäßig leicht zusammenfassen.

Der Germanistikstudent Edgar erleidet Schicksalsschlag, der ihn hart trifft, und beinah begeht er Selbstmord. Doch er lässt sich nicht aus dem Fenster fallen, sondern verlässt stattdessen seine Wohnung und geht nach Hiddensee. Dort bekommt er eine Stelle als Saisonkraft, „EssKa“, wie es immer wieder heißt, in der Speisegaststätte „Klausner“. Er kümmert sich um den Abwasch, und mit ihm ist dort Kruso, der eine Art konsiprative Flüchtlingsvereinigung unterhält, mit Taufzeremonien, Waschungen, „heiliger“ Suppe und noch so einigen Ritualen, deren Sinn eher im Dunkeln bleibt. Währenddessen finden irgendwo auf dem Festland Entwicklungen statt, die zum Zusammenbruch des Systems und zur Wende führen werden. Der „Klausner“, wie eine Insel, ein Schiff, mit fester Besatzung, bleibt davon lange Zeit unberührt. Erst nach und nach löst sich die verschworene Gemeinschaft der Restaurantbesatzung auf, bis nur noch Kruso und Edgar übrig sind.

Eigentlich passiert die ganze Zeit gar nicht viel, alles so allmählich, in Andeutungen, mit dem Blick auf Details, aber auch mit abrupten Wendungen, Brüchen, abgetrennten Szenen: auch das macht viel Spaß, der Blick auf Erzählweise und Struktur. Und es transportiert sich diese Stimmung, das Verrottende, das Faulige, der Eindruck eines Niedergangs, das Gefühl vom verlorenen Posten am Ende der Welt.

Fast war ich am auf den letzten Seiten angelangt, da packte mich doch noch mal heftig die Spannung, und ich konnte das Buch gar nicht mehr weglegen. Und dachte die ganze Zeit: verdammt, echt jetzt, noch mal sowas, im EPILOG!

Für mich ist „Kruso“ tatsächlich ein großes Buch, das mich in eine andere Welt versetzt hat und in eine andere Zeit, auch wenn ich viel von dem Geraune bestimmt nicht ganz verstanden habe. Vielleicht lese ich es einfach gleich noch mal. Oder doch lieber erst mal was Leichtes?