William Gibson: Idoru

Der Roman „Idoru“ von William Gibson, den ich aufgrund einer längeren Science Fiction Phase bislang noch ungelesen in meinem Bücherschrank hatte, ist der mittlere Teil einer Trilogie von William Gibson. Das war mir beim Lesen noch gar nicht klar, das tat aber dem Spaß beim Verfolgen der Geschichte keinen Abbruch. Zwar ahnt man manchmal, dass man mehr über die Figuren wissen könnte; der Plot lässt sich aber auch so mühelos verfolgen, ja, zieht einen sogar alsbald in seinen Bann.

Laney, ehemaliger Angestellter eines im gesamten Netz agierenden Klatschmagazins, tritt in Tokyo einen neuen Job an. Er soll seine rätselhafte Fähigkeit, in Datenströmen Knotenpunkte zu erkennen und daraus persönliche Dinge über die Verursacher der Daten herauslesen zu können, in den Diensten des Rockstars Rez zum Einsatz bringen, um dessen Sicherheitssituation zu verbessern.Im Verlauf des Romans erfährt man die Hintergrundgeschichte von Laney und erhält Einblick in die skrupellosen Machenschaften der Klatschpresse.

Chia ist Fan von Rez und in einer Fanbase organisiert. Das Gerücht, Rez wolle eine nur virtuell existierende Frau, die Idoru Rei Toei, heiraten, hat ihren Fanclub alarmiert. Chia wurde ausersehen, von Seattle aus nach Tokyo zu reisen und herauszufinden, ob an dem Gerücht etwas Wahres dran ist. Im Flugzeug trifft sie auf Maryalice, eine Schmugglerin. Durch diese Begegnung überschlagen sich die Ereignisse, Chia wird verfolgt und bedroht, und am Ende löst sich alles etwas anders auf als gedacht.

William Gibson entwirft hier eine Zukunftsvision, in der einige Städte durch Erdbeben zerstört wurden und die von den Möglichkeiten des Cyberspace beherrscht wird. Die Jugendlichen, die in der Fanbase organisiert sind, begegnen sich in virtuell von ihnen gestalteten Räumen und geben Geld für Designerklamotten aus, die ebenfalls nur virtuell existieren. Die Klatschpresse manipuliert mit Hilfe von gefälschten Videos und unlauteren Recherchen die öffentliche Meinung und entscheidet darüber, wer berühmt ist und wer fällt.

Das Buch wurde Ende der Neunziger geschrieben, als das Internet noch gar nicht in dem Maße verbreitet war wie heute und als auch die mediale Verflachung mit Reality-Formaten etc. gerade erst anfing. Gibsons Zukunftsvision ist gar nicht so weit hergeholt. Dass jeder inzwischen einen Computer mit sich herumträgt, um sich jederzeit in virtuellen Welten zu verlieren, das ist längst keine Zukunftsvision mehr, sondern Alltag. Und die Manipulation durch Medien? Alter Hut! Warum der Skandal-Joker gerade in dem Moment gezogen wird, wenn Wahlen anstehen oder eine neue Platte zu promoten ist – und dass es sowas wie eine „Zweitrealität“ in der Klatschpresse gibt, die mit der „Wirklichkeit“ nur in einem losen Verhältnis steht – das ist längst eine Binsenweisheit. Der Roman „Idoru“ versucht, diese medialen Verhältnisse in zugespitzter Form darzustellen und zu kritisieren. Krass finde ich dabei, dass mir die zum Teil durchaus brutalen Geschehnisse in Gibsons Cyberpunk-Welt gemessen an der heutigen Realität geradezu niedlich und harmlos vorkommen. Daraufhin funktioniert das mit der Kritik, wenngleich wohl etwas anders als von Gibson intendiert, und diese Art der Science Fiction trifft mich direkt in die Magengrube, dass mir die Luft wegbleibt.

 

 

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