Versuch: Bloggen direkt. Von der Leipziger Buchmesse

Diesmal bin ich als Bloggerin auf der Leipziger Buchmesse. Akkreditiert. Mit Presse-Badge. Das heißt: ich darf auch in den Pressebereich – und außerdem hat die Buchmesse diesmal eine Blogger-Lounge. Ich nehme die Herausforderung an, die sich aus diesen Möglichkeiten ergibt: Bloggen direkt. Ein Tag Buchmesse – und nach dem halben Tag schon was drüber schreiben.

Into the mood. Der Presse-Eingang ist gar nicht mal so leicht zu finden. Ein einzelnes Schild, das NICHT explizit darauf hinweist, man solle die Treppen hinauf gehen. Ich folge den Massen an Manga-Fans, Schülern, Messebesuchern. Kein weiterer Hinweis für „Press“. Ein Mann neben mir mault in breitestem Sächsisch: „Da kriegt man ja gleich schlechte Laune.“ Als mein Presse-Ticket am Einlass als ungültig abgelehnt wird, gebe ich ihm aus vollem Herzen recht. Also wieder zurück. Wo war das letzte Schild?

Im Pressebereich ist es ruhig. Kaffeetassen klingen, Tastaturen klappern, ein Mann telefoniert. Sonst: Stille in heiligen Hallen. Sogleich bin ich mit allem versöhnt.

Hinein. Die weißen Gänge entlang zu den Hallen. Der Lärm brandet herauf. Die Menschen. Plakate, Broschüren, Postkarten, Flyer, Bücher, Taschen. Es ist erst elf Uhr und mir kommen jetzt schon genervte Schüler entgegen, die sagen: „Ich will da nicht hin. Ich will mich irgendwo hinsetzen. Mir tun die Füße weh!“ und: „In der Manga-Halle war es aber leerer!“

Attraktion. Eine Frau steht an einem Stand und jongliert mit drei Bällen. So kann man sich auch die Zeit vertreiben. Ich frage mich, ob sie die Menschen damit eher anzieht oder eher vertreibt.

Licht. Am Stand vom Mitteldeutschen Verlag treffe ich André Schinkel. Er drückt mir seinen neuen Erzählungsband in die Hand: „Das Licht auf der Mauer“, ein schmales Bändchen in leuchtendem Weiß, in der Mitte ein grünlich kolorierter Papageienkopf. „Ich habe da ein wenig Einfluss genommen auf das Design, genau so wollte ich das. Das Buch strahlt jetzt richtig im Tageslicht!“ Hier drin glänzt die Folie auf dem eingeschweißten Band.

Etwas daneben. Unweit an der Ecke ist der Stand der Edition Azur. Dort bin ich neugierig auf die Neuerscheinung von Katja Thomas: „Gehen mit Lou.“ Darauf eine Landschaft in Grünschattierungen und der stilisierte Schattenriss einer Katze. „Hast für das Buch ja auch gleich den richtigen Pullover an“, sagt H., und C. versucht, ein Foto von mir zu machen, auf dem Grün und Grün miteinander so richtig zur Geltung kommen. Aber so richtig will es nicht klappen, irgendwas daran gefällt mir nie. Etwas fahrig blättere ich in dem Buch und lese zum dritten Mal den ersten Satz, in dem es um die Rückkehr der Mauersegler geht, in der zarten Sprache von Katja Thomas. Bedauernd stelle ich das Buch zurück. Was auch immer der Sinn so einer Messe ist, zum Lesen von Büchern taugt sie jedenfalls nicht.

Stark und schwach. Ich drücke mich auf eine überfüllte Tribüne. Hier spricht Karim Saab gleich mit Mircea Cartarescu. Ein kleiner Mann mit halblangem schwarzem Haar drückt sich durch die Schiebetür. Neben ihm nimmt der grauhaarige Dolmetscher Platz (wenn ich es richtig gehört habe: der Rumäniendeutsche Ernst Wichert.). Vor lauter Aufregung vor dem rumänischen Namen verhaspelt sich Karim Saab ganz fürchterlich in der Anmoderation, aber gar nicht beim Namen, sondern bei der Formulierung „Leipziger Buchpreis für europäische Verständigung“. Schnell geht es um die Rolle der Übersetzer bei dieser europäischen Verständigung. In unseren Ohren klingt das Rumänische, das einerseits vertraute romanische Wortstücke transportiert, aber zugleich so eigen rollt und unerwartete Flächen und Unschärfen transportiert. Aber Unschärfen, die scheint es in der Sprache von Cartarescu nicht zu geben. Er spricht geradeheraus, überlegt, ohne Zögern. Von der Diktatur in Rumänien ist die Rede, und wie eine solche Erfahrung das Leben eines Schriftstellers beeinflusst. Wie verletzt man dadurch ist und wie diese Verletzung das Schreiben beeinflusst. Die Nähe von Rumänien zu Südamerika, und ob solche Schrecken (Cartarescu lässt ein rollendes „Aorrorror“ hören, das nach donnerndem, übermächtigen Terror klingt) sich eher sachlich oder in Form phantastischer Transformation bewältigen lassen. Und welche Rolle der Schmetterling und die Spinne in seinem 1800 Seiten starken „Opus Magnum“ spielen.

Von der Trilogie Cartarescus entsteht in mir ein seltsames Bild. In „Die Wissenden“ habe ich schon reingeschaut, und schon nach den ersten Seiten konnte ich Vergleiche mit Kafka, Proust, Marquez nachvollziehen. Nach diesem Gespräch stelle ich mir etwas sehr zartes und zugleich kraftvolles vor, etwas, das Schmerz transportiert und zugleich von der Schönheit des Lebens spricht. Poesie, so hat dieser kleine Mann gesagt, sei die stärkste Kraft. Das hallt noch in mir nach wie die sanften Schläge von Schmetterlingsflügeln.

4 Gedanken zu “Versuch: Bloggen direkt. Von der Leipziger Buchmesse

  1. Danke für die Eindrücke von der Messe! Da brauche ich mich ja gar nicht selbst ins Gewühl zu stürzen…
    Stattdessen vielleicht Cartarescu lesen?

  2. Pingback: #lbm15 – Blogeinträge zur Leipziger Buchmesse 2015 | Gnom, unser

  3. Vielen lieben Dank für die Zusendung Deines Links für das #lbm15 Blogeintragsverzeichnis. Du bist dabei.

    Liebe Grüße,

    Tobias Schindegger 🙂

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